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Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) spielt in der urheberrechtlichen Diskussion unverändert eine sehr große Rolle. Das ist nicht überraschend, stellen sich doch hier zentrale urheberrechtliche Fragen, von der Schutzfähigkeit eines Textes, über Lizenzierung und Vergütung bis hin zur kollektiven Rechteverwaltung.

Lesen Sie hier den Beitrag von Dr. Robert Staats zum aktuellen Stand der Diskussion.

1. Anwendbarkeit der Schrankenregelungen für Text und Data Mining

Es ist weiterhin umstritten, ob die gesetzlichen Erlaubnisse für Text und Data Mining (TDM) in der europäischen DSM-Richtlinie und im deutschen Urheberrecht die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten für das Training von KI erlauben. Dabei kommt insbesondere dem sog. 3-Stufen-Test eine wichtige Bedeutung zu.

Dieser „Test“ ist eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Schrankenregelungen und sieht vor, dass sie nur in Sonderfällen angewendet werden dürfen (1. Stufe), in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstandes nicht beeinträchtigt wird (2. Stufe) und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden (3. Stufe). Aus hiesiger Sicht bestehen die TDM-Schranken, soweit es um das Training von generativer KI geht, diesen Test nicht.

Interessant ist, dass die Auswertung eines Fragebogens der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft Ende 2024 ergeben hat, dass offenbar eine Reihe von Mitgliedstaaten die Ansicht vertreten, dass die TDM-Schranken die Nutzung von geschützten Werken für das Training von KI nicht abdecken. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Frage in der juristischen Diskussion – weiterhin – umstritten ist. Die Rechtsprechung wiederum ist hier erst ganz am Anfang. Zwar hat das Landgericht Hamburg im Herbst 2024 entschieden, dass die erste Vervielfältigung eines Werkes zur Erstellung eines Datensatzes für spätere KI-Trainingszwecke von der TDM-Schranke für wissenschaftliche Forschungszwecke abgedeckt sei. Das Gericht hat aber die Frage, wie die Nutzung von geschützten Werken für das Training von KI insgesamt zu bewerten ist, explizit offen gelassen. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt; der weitere Fortgang des Verfahrens ist mit Spannung abzuwarten.

Offen ist auch, inwieweit geschützte Werke bei dem Einsatz von generativer KI nicht nur vervielfältigt, sondern auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Sollte letzteres der Fall sein, würden die TDM-Regelungen ohnehin nicht ausreichend sein, weil sie im Bereich der kommerziellen Nutzungen unstreitig keine öffentliche Zugänglichmachungen erlauben.

Eine verbindliche Klärung dieser rechtlichen Fragen wird letztlich nur durch den EuGH oder den europäischen Gesetzgeber möglich sein. Ersteres wird dauern und letzteres ist ungewiss.

2. Erklärung eines Opt-outs

Sollten die TDM-Schranken entgegen der hier vertretenen Auffassung doch Anwendung finden, besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass Rechtsinhaber einen Rechtevorbehalt (Opt-out) erklären. Dieser führt dazu, dass die gesetzliche Erlaubnis keine Anwendung mehr findet.

Unklar ist allerdings, welche Voraussetzungen genau vorliegen müssen, damit ein Opt-out wirksam ist. So muss der Rechtevorbehalt nach der gesetzlichen Regelung maschinenlesbar sein. Ob es hierfür ausreicht, dass der Vorbehalt in natürlicher Sprache erklärt wird, wird unterschiedlich gesehen; nach hiesiger Einschätzung spricht viel dafür. Auch das Landgericht Hamburg hat in dem bereits erwähnten Rechtsstreit diese Auffassung vertreten. Auf EU-Ebene denkt die EU-Kommission offenbar konkret darüber nach, eine Datenbank für erklärte Rechtevorbehalte aufzubauen und hat eine entsprechende Ausschreibung auf den Weg gebracht. Ob dies mit Blick auf den enormen administrativen Aufwand tatsächlich sinnvoll ist, kann allerdings bezweifelt werden.

In der Praxis legen mittlerweile viele Urheber, vor allem aber auch Verlage und andere Rechtsinhaber, Rechtevorbehalte bei ihren Werken ein. Zukunftsgerichtet dürfte deshalb davon auszugehen sein, dass immer mehr Inhalte nicht mehr für das Training von KI verwendet werden dürfen. Die gesetzlichen Erlaubnisse, selbst wenn sie Anwendung finden, werden damit vielfach ins Leere gehen.

3. Umsetzung KI-VO

Die KI-VO ist am 1. August 2024 in Kraft getreten und die ersten Bestimmungen sind mittlerweile auch bereits anwendbar. Die KI-VO regelt keine materiellen urheberrechtlichen Fragen, nimmt aber an verschiedenen Stellen auf das EU-Urheberrecht Bezug. Das gilt insbesondere für die Bestimmungen, wonach die Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck eine Strategie zur Einhaltung des Urheberrechts der EU auf den Weg bringen und außerdem eine hinreichend detaillierte Zusammenfassung der für Trainingszwecke verwendeten Inhalte nach einer bereitgestellten Vorlage veröffentlichen müssen.

Die EU-Kommission hat im Sommer 2024 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich u.a. mit den urheberrechtlichen Bezügen des AI Act und mit den Transparenzvorgaben befasst und einen Code of Practice (CoP) erarbeiten soll. Mittlerweile liegt der 3. Entwurf des CoP vor, der von Seiten der Urheber und Rechtsinhaber sehr kritisch gesehen wird. Ob es gelingt, hier noch dringend erforderliche Verbesserungen zu erreichen, bleibt abzuwarten.

4. Kollektive Lizenzmodelle

Mittlerweile wird von einer Reihe von Verwertungsgesellschaften geprüft, inwieweit auf kollektiver Ebene Lizenzen für KI-Nutzungen vergeben werden können; teilweise werden auch bereits Lizenzen angeboten. Dabei geht es im Bereich der Textwerke vielfach um Lizenzen für die Nutzung von KI innerhalb von Unternehmen. Für diesen Bereich bereitet auch die VG WORT – in Kooperation mit ihrer US-Schwestergesellschaft CCC – eine KI-Lizenz vor. Sie soll voraussichtlich ab Mai 2025 vergeben werden und erstmals Vergütungen für KI-Nutzungen sicherstellen. Konkret ist dabei geplant, dass die KI-Lizenz zusammen mit der bereits seit vielen Jahren vertriebenen Unternehmenslizenz der VG WORT vermarktet wird. Die Lizenz deckt dabei – wie bereits gesagt – im Grundsatz nur unternehmensinterne Nutzungen ab. Eine Lizenzierung gegenüber Anbietern von generativer KI, die sich an die Allgemeinheit wenden (bspw. Chat GPT), ist damit ausgeschlossen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die VG WORT im Rahmen dieser neuen Lizenz keine Rechte für Werke vergeben kann, bei denen Urheber oder Verlage der einschlägigen Änderung des Wahrnehmungsvertrags der VG WORT bis Ende November 2024 widersprochen haben.

Im Bereich der Musik hat die GEMA, die über andere Rechte als die VG WORT verfügt, ein sehr viel weitergehendes Lizenzmodell vorgestellt. Dieses sieht zum einem vor, dass die Nutzung geschützter Werke für das Training der KI-Anbieter vertraglich erlaubt werden soll. Zum anderen sollen aber auch Nutzungen der KI-Produkte selbst (bspw. als Hintergrundmusik oder auf Musikplattformen) lizenziert werden.

5. Interner Umgang der Verwertungsgesellschaften mit KI

Es wird immer wieder die Frage aufgeworfen, inwieweit sichergestellt werden kann, dass die VG WORT keine Ausschüttungen für KI-Texte vornimmt. Leider gibt es weiterhin keine Software, die sicher erkennen könnte, ob es sich bei einem Text um ein KI-Produkt oder ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. Soweit festgestellt werden kann, dass KI-Tools zum Einsatz gekommen sind, reicht das zur Abgrenzung nicht aus. Denn selbstverständlich wird KI mittlerweile vielfach als Hilfsmittel genutzt, um Texte zu verfassen oder Übersetzungen zu erstellen. Dennoch wird es in sehr vielen Fällen dazu kommen, dass ein Mensch in einer Weise „Kopf und Hand anlegt“, so dass von einer persönlichen geistigen Schöpfung und damit von einem Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes gesprochen werden kann. Die VG WORT lässt sich deshalb – wie andere Verwertungsgesellschaften auch – bei der Meldung der Texte bestätigen, dass es sich nicht um reines KI-Produkt handelt. Sie wird im Übrigen die weiteren technischen Entwicklungen und sonstigen Überprüfungsmöglichkeiten genau im Blick behalten.

Zwar sieht auch die KI-VO bestimmte Kennzeichnungspflichten von Betreibern von generativer KI vor, diese sind aber nicht sehr weitgehend. Freiwillige Kennzeichnungen, insbesondere durch Verlage, wären deshalb zu begrüßen.

6. Anhängige Gerichtsverfahren

Neben dem oben bereits erwähnten Hamburger Gerichtsverfahren gibt es in Deutschland noch zwei weitere Gerichtsverfahren, die die GEMA beim Landgericht München anhängig gemacht hat. Ein Verfahren richtet sich gegen Open AI wegen der Wiedergabe von Songtexten bei ChatGPT, das andere gegen Suno AI, wegen der Wiedergabe von geschützten Songs. Diese Gerichtsverfahren sind – über den Musikbereich hinaus - von großer Bedeutung, weil sie hoffentlich zur weiteren Klärung der offenen Urheberrechtsfragen beitragen. Vor allem in den USA werden eine Vielzahl von Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit KI geführt; dort geht es vor allem um die rechtliche Problematik, inwieweit die Nutzung von geschützten Werken für KI-Training als „fair use“ anzusehen ist und damit keiner vertraglichen Lizenzierung bedarf. Kürzlich hat der Destrict Court of Delaware diese Frage in der sehr interessanten und lesenswerten Entscheidung „Thomson Reuters ./. Ross Intelligence“ verneint. Bemerkenswert ist das Urteil auch deshalb, weil der Richter seine frühere Rechtsauffassung revidiert und die Entscheidung mit folgenden Worten einleitet: „A smart man knows when he is right; a wise man knows when he is wrong. Wisdom does not always find me, so I try to embrace it when it does - even if it comes late, as it did here.”

Für einige Aufmerksamkeit hat auch gesorgt, dass mittlerweile Autoren- und Verlegerverbände in Frankreich das Unternehmen META wegen KI-Nutzungen geschützter Werke verklagt haben.

7. Rechtspolitische Überlegungen

Die meisten politischen Parteien haben sich aufgrund von Fragen des Deutschen Kulturrats zur Bundestagswahl sensibel für das Thema KI und Urheberrecht gezeigt. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, wie sich eine neue Bundesregierung konkret positionieren wird. Aus hiesiger Sicht wäre es vor allem wichtig, klarzustellen, dass die bestehenden TDM-Schranken keine geeignete Grundlage dafür sein können, KI-Training mit geschützten Werken zu erlauben. Was immer der europäische oder nationale Gesetzgeber vor Augen gehabt hat, als die gesetzlichen Regelungen in den Jahren 2019 und 2021 eingeführt wurden: Generative KI, wie wir sie heute kennen und anwenden, gab es noch nicht. Es bedarf deshalb dringend einer rechtspolitischen Diskussion, die nicht nur auf die existierenden TDM-Schrankenregelungen verweist, sondern die vielen offenen Fragen in den Blick nimmt, die sich mittlerweile im Zusammenhang mit KI stellen. Entscheidend kommt es hier darauf an, eine angemessene Vergütung von Urhebern und Verlagen für die Nutzung ihrer Werke zu KI-Zwecken sicherzustellen. Ohne eine angemessene Vergütung besteht die konkrete Gefahr, dass es für menschliche Schöpfungen nicht mehr genug Anreize gibt und echte Kreativität massiv durch maschinengemachte KI ersetzt wird.

Es geht deshalb um sehr viel!